Thursday, June 23, 2011

Ausstieg

Bereits sind zwei Tage vergangen seit unserer Ankunft in der Schweiz. Nach fünf Jahren im Ausland habe ich mir wieder eine CH-Mobile Nummer zugelegt. Ausserdem habe ich mein JAR-Medical erneuert und, zusammen mit Nina, unsere Wüstenkatze Bart am Flughafen Genf abgeholt. Der Katze gehts gut, was bekanntlich die Menschen freut. Das ist bei uns nicht anders.
Auch dem Passbüro in Zürich habe ich einen Besuch abgestattet. Nicht etwa, weil ich sämtliche Spuren unseres Abu Dhabi-Aufenthalts vernichten will, sondern ganz einfach, weil mein USA Crew-Visum abgelaufen ist und sich bei dieser Gelegenheit eine Erneuerung meines, in die Jahre gekommenen, Passes als zweckmässig erweist.

Tja – es geht weiter: Same, same – but different. Es wird zweifellos Tage, Wochen – vielleicht auch Monate dauern, bis wir unseren Umzug in die Schweiz mit sämtlichen Sinnen und Fasern realisieren. Im Moment scheint mir, als schwebe ich zwischen den Welten. Noch immer flattern in zügiger Kadenz SMS oder Emails aus den Emiraten in diverse Posteingänge und vermischen sich mit euphorischen Willkommensbotschaften helvetischer Freunde.

Der Einstieg beim neuen Arbeitgeber steht noch aus. Noch habe ich keinen Fuss in einen SWISS-Tempel gesetzt, denn noch habe ich Ferien, die mir mein, bis Ende dieses Monats, rechtmässiger Arbeitgeber zugesprochen hat. Auch hier pendle ich vorerst zwischen Orient und Okzident.

Mehr als einmal wurde ich im Verlauf der vergangenen Tage nach der Zukunft der Wüstenspuren gefragt. Nicht nur in Blog-Kommentaren, sondern auch in Emails oder bei persönlichen Gesprächen. Eine Fortsetzung nach unserer Rückkehr in die Schweiz würde jedoch nicht der ursprünglichen Idee, Freunde und Familie an unserem Leben in den Emiraten teilhaben zu lassen, entsprechen. Wo kein Sand ist, gibts keine Wüstenspuren.

Doch so ganz kann ich die Finger nicht von der Tastatur lassen. Ich habe mich ans Schreiben gewöhnt, dass es beinahe schon zur Sucht geworden ist. Und vielleicht, so habe ich mir gedacht, gibt es ja auch allerhand Interessantes aus der Schweiz zu berichten.

Und so geht es ab heute hier weiter.

"Ein Expat im Exil" soll aber nicht nur über unsere Rückkehr in die Schweiz berichten, sondern nach wie vor Alltägliches aus der ergiebigen Welt der Fliegerei resumieren. Mit den Augen eines Rückkehrers - und Piloten sind von Berufes wegen ewige Rückkehrer - der sich, mehr als angenommen, an den Rhythmus des Mittleren Ostens gewöhnt hat.

Die letzten Worte der Wüstenspuren sollen identisch sein mit den ersten Zeilen des im August erscheinenden Buches „Blindflug Abu Dhabi“:

Mir bleibt, euch allen herzlich fürs treue Spurenlesen zu danken!

Erinnerung ist nur eine Reifenspur im Sand,
der Wind weht sie zu und oft viel zu früh,
hat man’s nicht mehr in der Hand

Rainhard Fendrich, aus «Tränen trocknen schnell»

Monday, June 20, 2011

Nachtrag

Das Omen war gut. Allerdings nicht gut genug.

Der Start ins viel zitierte neue, alte Leben ist missglückt. Und es hat bereits vor dem Start in Abu Dhabi heftig geholpert.

Zuerst fehlt der Kurier mit meinem Pass. Die Zeit verstreicht, ohne dass jemand auftaucht. Etisalat hat mir meinen Mobiltelefonanschluss bereits abgestellt, obwohl mir gestern versichert wurde, der Vertrag sei so kurzfristig nicht kündbar. Nun bin ich kommunikationsmässig handicapiert. Die Minuten verrinnen, meine Aufregung steigt. Was läuft hier falsch? Wo verdammt noch mal steckt mein Pass? Erst nach 45 Minuten taucht der Ersatzmann mit meinen Dokumenten auf. Der ursprünglich geplante Kollege hat heute spontan seinen Freitag eingezogen.

Der Flug nach Frankfurt verläuft entspannt. Wir landen pünktlich, doch bereits nach wenigen Minuten müssen wir auf der Anzeigetafel erkennen, dass der Anschlussflug nach Zürich annulliert ist. Angeblich wegen Wetter. Das kann ich kaum glauben. Mein zukünftiger Arbeitgeber zeigt sich in diesem Fall wahrlich nicht von seiner besten Seite.

Immerhin gibts einen Hotelgutschein. Und 20 Euro fürs Nachtessen. Den Wein müssen wir selber bezahlen. Auch so kann Frau Geburtstag feiern.

Wir werden morgen noch einmal einen Anlauf nehmen...

Sunday, June 19, 2011

Sonntag, 19 Juni 2011 – D-Day

Heute ist es soweit. Packtag, Reisetag – aber auch Franziskas Geburtstag! Besonders für sie ist dies der Aufbruch in eine neue Lebensdekade. Wenn das kein gutes Omen ist...

Im Mai 2006 habe ich diesen Blog mit dem ersten Eintrag lanciert. Damals herrschte – genau wie heute – Aufbruchstimmung. Allerdings mit veränderten Vorzeichen:

„Die letzte Woche in der Schweiz ist angebrochen. Am Samstag, dem 20. Mai, fliege ich nach Abu Dhabi. Noch sind die Koffer nicht vollständig gepackt, doch der verbleibende Freitag wird in erster Linie dazu genutzt, den Kleiderschrank zu leeren. Mitnehmen oder entsorgen – das dürfte dann die grosse Frage werden. Der Gepäckplatz ist beschränkt und die klimatischen Vorgaben im Mittleren Osten unterscheiden sich bekanntlich wesentlich von den hiesigen Verhältnissen.
Eigentlich hatte ich mir vorgestellt, die letzten Tage im Lande ruhig anzugehen, doch leider ist noch vieles zu erledigen: Administration, Briefe, Mails, Telefonate und nicht wenige Blitzbesuche. Der VW Lupo ist auch noch nicht verkauft. Hat jemand Interesse??!! Gewisse Mühlen mahlen eben langsam, was übrigens in Abu Dhabi nicht besser sein soll, wie vertraute Quellen berichten."

Heute geht es zurück. In die andere Richtung. Mit einer neuen Herausforderung und einem neuen Ziel.

Abu Dhabi und die Menschen hier haben uns in ihren Bann gezogen. Trotz vieler kleiner Ärgernisse wurden wir verzaubert von der Vielfalt und Mystik des Orients, gepaart mit der hier so oft anzutreffenden Herzlichkeit und Unbefangenheit asiatischer Expats.
Wir haben neue Weggefährten fürs Leben gefunden, und wir haben – fürwahr keine Selbstverständlichkeit – unsere treuen Freunde in der Schweiz stets an unserer Seite gespürt und in keiner Minute an ihrer Unterstützung gezweifelt.

Shoukran jassilan, ma assalama und bis bald und irgendwo auf dieser Welt!

Samstag, 18 Juni 2011 – der letzte Tag

Liebe WüstenspurenleserInnen: Der Countdown hat begonnen! Noch wenige Tage bis zu unserer Abreise. Hier die letzten Eindrücke stichwortartig im Tagebuchformat.

Franziska schleicht sich kurz vor neun aus dem Schlafzimmer. Der erste Gedanke, der mich aus dem Halbschlaf rüttelt: „Unser letzter Tag in Abu Dhabi!“ Noch einmal die so unangenehm klebrig-feuchte Hitze spüren. Noch eine letzte administrative Schlacht schlagen, noch einmal den Sonnenuntergang am Golf erleben.

Ich nutze den Vormittag, um beim staatlichen Kommunikationsanbieter Etisalat mein Handy-Roaming zu kündigen. Mit der Idee, mein seinerzeit einbezahltes Depot von 2000 Dirham zurückzuerhalten. Der Einstieg misslingt. In der Zweigstelle in Khalidiya verweist Frau mich an die Hauptfiliale an der Airport Road. Nur dort wäre diese Dienstleistung möglich. Nach einer Viertelstunde stehe ich skeptisch vor dem nächsten Schalter. Der Beamte verlangt meinen Pass oder die Emirates ID-Karte. Beide Dokumente musste ich vor zwei Tagen beim Etihad-Personaldienst zwecks Annullierung meines Visums abgeben. Man wird sie mir erst am Flughafen beim Check-In wieder aushändigen. Diese Erklärung lässt mein Gegenüber kalt. Entweder bin ich in der Lage, eines der geforderten Dokumente vorzuweisen, oder ich kriege mein Depot nicht zurück. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich rufe im Hotel an und bitte Franziska, mir meine letzte verbliebene Passkopie zu bringen. Freuen tut sie sich nicht darüber, doch uns bleibt keine Alternative. Die Büros schliessen um 13 Uhr, die Zeit wird knapp. Ein Taxi bringt sie an die Airport Road. Nach einer halben Stunde ist die Sache geregelt. Das Geld erhalte ich zwar nicht ausbezahlt, mir wird jedoch versprochen, den Betrag aufs lokale Bankkonto (das ich vorerst noch behalten werde) zu überweisen.

Anschliessend nutzen wir die Gunst der (gemeinsamen) Stunde und fahren zum Goldsouk in Madinat Zayed, denn am Tag unserer Abreise wird meine Frau einen runden Geburtstag feiern...

Um 1400 Uhr kommt Russell für einen letzten Kaffeeklatsch in unser Hotel. Nach einer Stunde und einem letzten Schulterklopfen zieht er los. Ich blicke ihm nach, wie er durch die Glastür des Hotelcafés entschwindet. Alsdann rufe ich Pushpa, eine Mitarbeiterin aus dem Flight Safety departement an und verabschiede mich von ihr. Sie war bei meinem letzten Besuch im Büro leider nicht anwesend.

Es folgt eine letzte Mussestunde am Pool. Allein mit meinen Gedanken. Ich fühle mich seltsam. Alles wirkt so unreal. Verschwommen wie in einem Traum. Ich blicke vom Dach über die Stadt, sehe bekannte Gebäude und denke, ach da wollte ich ja auch noch einmal hin.

Die Kollegen vom GASCO Squash-Team melden sich noch einmal. Ob ich wirklich nicht zum Abschlussessen kommen könne. Leider nein. Ein letztes Mal fahre ich in unseren Wohnblock an der Delma Street, wo ich mich persönlich von Hossein, unserem Security Guard verabschieden möchte. Ich drücke ihm 100 Dirham in die Hand, verstohlen lächelnd dankt er und erkundigt sich schüchtern nach meiner Email-Adresse: "To keep in touch..."

Rückgabe des Mietwagens, mittlerweile ist es 1830 Uhr. Franziska hat sich nochmals ein Taxi geschnappt, um im Inneneinrichtungsgeschäft in der Stadt die neuen Sitzüberzüge und die abgeänderten Vorhänge zu bezahlen. Damit wir möglichst gut gerüstet sind für die neue Wohnung in der Schweiz.

Giuliano lädt uns zum Nachtessen ein. Lindas Freund Neemo ruft an. Er möchte sich ebenfalls von uns verabschieden. Wir treffen ihn auf der Holzterrasse des Restaurant Vascos. Eines unserer Lieblingslokale. Das Essen schmeckt vorzüglich, die Gespräche mit Giuliano sind wie immer animiert.
Nach Dessert und Kaffee holen wir Nina bei Shireen ab. Vor dem Haus liegen sie sich – teilweise mit verheulten Augen – in den Armen. Sechs Boys und Girls, eine sich im Auflösen begriffene Gruppe von Neuntklässlern.

Kurz vor dem Nachtessen habe ich ein SMS verschickt. An Freunde und Kollegen von Etihad:

„Dear friends, sooner or later everything comes to an end. After 5 amazing years in the UAE we have less than 24 hours before boarding the plane to Switzerland. You all made our stay unforgettable! Take care and ma assalama“

Und die Reaktionen prasseln im Minutentakt ein. Hier einige davon:

„Have a safe trip and good luck getting set up in Switzerland. I’m sure our paths will cross again soon. All the best!”

„Amazing years in Switzerland are starting on Monday. From a UAE resident without UAE home.”

“Bon voyage mi amigo et vaya con dios.”

“Thanks, I can only say it was a pleasure to learn over time who you are and appreciated your presence both at work and in the hockey world.”

“To my favourite Captain (ops, I must say after my husband…). We wish you all the success and happiness….you’ll be missed!!!”

“The nice thing of living abroad and what it makes worthy are the opportunities to meet people like you dear Dieter. I am sure we will see you again. God bless you and your family querido amigo!”

“Dear lovely Dieter, God bless you. All the best!”

Saturday, June 18, 2011

Freitag, 17 Juni 2011 – noch 2 Tage

Liebe WüstenspurenleserInnen: Der Countdown hat begonnen! Noch wenige Tage bis zu unserer Abreise. Hier die letzten Eindrücke stichwortartig im Tagebuchformat.

Der Abend mit Anita und Frank war äusserst gemütlich. Ich bin auch nicht, wie man hätte denken können, beim Apéro eingeschlafen. Es gab gemischten Salat, Lamm mit Knoblauch, Huhn, Baked Potato und Sour Cream (mit Knoblauch), Reis und zum Dessert Vanille- oder Schokoladeeis.

Heute war der erste Morgen dieser Woche, an dem ich nicht entweder durch die Folgen eines Nachtflugs oder den frühmorgendlichen Wecker aus meiner biophysischen Balance gekippt wurde. Dafür schubst mich kurz vor neun die Angetraute an die Schulter und meint verstört:
„Weisst du, was wir total vergessen haben? ...Uns bei der Schweizer Botschaft abzumelden...“

Es mutet ja schon seltsam an: da versuchen wir uns mit allen Mitteln während zwei Tagen aus den Fängen der emiratischen Bürokratie zu winden und vergessen dabei total die Vertretung des eigenen Landes. Ja, lieber Anonymous und crowi – die emiratische Bürokratie ist grenzenlos und manchmal quälend ineffizient. Für jede benötigte Unterschrift wechselt der Kunde den Schalter. Beamte, weiblichen wie männlichen Geschlechts und in der Regel lokaler Herkunft, sitzen stundenlang wenig beschäftigt und unmotiviert auf ihren Hockern, plaudern mit den Arbeitskollegen links und rechts oder beschäftigen sich mit ihren Mobiltelefonen. Ämterbesuche sind ein absoluter Greuel und zeitlich völlig unberechenbar.

Für Nina und Lissy gings gestern noch einmal hoch zu und her. Zwei Freundinnen der Deutschen Schule haben den beiden einen Gutschein zum Spacewalking geschenkt. Franziska fuhr die Mädchen nach dem Mittag in den Country Club. Der Name mag etwas in die Irre führen, doch diese Adresse war absolut korrekt. Nach einer kurzen Einführung und der Umkleide gings in den Windkanal.

Heute Freitag können Franziska und ich die Dinge gemütlicher angehen. Freitag ist Wochenende, da sind die Ämter geschlossen. Meine Frau besucht noch einmal unsere irischen Ex-Nachbarn im Al Qurm Compound. Dann kauft sie im Carrefour einen weiteren Koffer, um sich wenig später mit Claudia Düvel zum Kaffee zu treffen. Claudia wird am 20. Juni an den Flughafen fahren und unsere Katze Bart für den Flug in die Schweiz abliefern. Wir werden zu diesen Zeitpunkt bereits in der neuen alten Heimat weilen.

Am Nachmittag wird gepackt. Umgepackt, ausgepackt, neu gepackt und dazwischen mit Linda in Braunwald geskypt. Nina agiert einmal mehr geschickt und verdrückt sich mit Freundinnen aufs Boot einer kanadischen Familie. Um vier wird mein Volvo abgeholt. Ein Fahrer der Shipping-Company fährt den Wagen nach Dubai, wo er für den Container-Transport vorbereitet wird. Wehmütig blicke ich meinem Gefährt nach. Im Kofferraum lagern zwei riesige, vollbepackte Koffer. Im Schiff gehts nach Rotterdam, anschliessend auf der Strasse nach Winterthur. Das Auto sollte in ungefähr sechs Wochen in der Schweiz eintreffen.

Kurz nach fünf holen wir die Hirschhäusers ab, die mittlerweile ebenfalls ihr Haus geräumt haben und im Hotel wohnen. Wenige Minuten nur entfernt von uns. Wir fahren zur Familie Toubeh, wo wir zu einem Abschiedsapéro eingeladen sind. Ihre Tochter Shireen gehört zum engen Freundinnenkreis von Nina und Lissy. Die Eltern sind Palästinenser. Beide sind Christen, der Vater aufgewachsen in Jerusalem, die Mutter in Nazareth. Die Familie hat viele Jahre in den USA gelebt, bevor sie in die Emirate gezogen ist.
Raghida serviert Käse, Trauben, Nüsse, Bruschetti und Gebäck. Nach zwei animierten Diskussionsstunden verabschieden wir uns. Für wie lange wohl...?

Es ist dies auch der letzte Abend mit Desirée und Jörg. Gemeinsam essen wir noch eine Kleinigkeit in einem Lokal unmittelbar am Meer. Wir setzen uns an einen der Tische im Garten. Es ist heiss und feucht an diesem Juniabend, und auch der Wind vermag keine echte Abkühlung zu verschaffen. Übermorgen werden wir das Land verlassen, wenige Stunden nur vor den Hirschhäusers. Auch sie werden wir vermissen.

Und morgen bricht unser letzter Tag in den Emiraten an...